Woher bekommt Ihr eigentlich Euer Holz, werden wir immer wieder gefragt…
Wie sich herumgesprochen hat, male ich auf Holzfundstücken und Mathias lässt seine Figuren aus heimischen Hölzern entstehen. Verwitterte Bretter von Ställen, Truhenteile, Türen und Türchen, Schubladenelemente, Tabletts, Lastentragen, Beißklötze vom Hundeplatz … alles schon dagewesen.
Groß, klein, dick, breit, schmal … meistens und am liebsten tüchtig gezeichnet vom Leben mit Abschabungen, Rissen und Kratzern.
Bei Mathias sind es dagegen meisten Stämme und besondere Bretter, die interessant für seine Arbeit sind.
Oft werden wir direkt auf einer Vernissage angesprochen.
Da löst sich als Beispiel, kurz nach der Eröffnungsansprache ein Mann aus der Menge, der vor allem durch seine, nun sagen wir es mal so „rustikale Arbeitskleidung“ aufgefallen war und weniger durch ein Vernissagenoutfit.
Dieser war uns direkt gegenüber gestanden, in der ersten Reihe und hatte den Erklärungen und Geschichten, hochkonzentriert und gespannt gelauscht.
Er lädt uns zu sich nach Hause ein, denn er hätte da etwas für uns in seiner Garage.
Auf der Heimfahrt spekulieren wir, ob etwas wirklich Brauchbares dabei sein könnte.
Was wird uns erwarten?
Jedenfalls nicht das, was uns ein paar Tage später begegnet.
Ein großes, wie sich herausstellt, neu selbst gebautes stattliches Haus mit einer geräumigen Einfahrt und einer Garage, die uns bei näherem Hinsehen, wie Aladin`s Höhle für Holzkünstler erscheint. Bretter, Möbelteile, kleine Stämme … säuberlichst sortiert. Jedes Teil hat seine Geschichte. Viele davon erzählt der Inhaber uns.
Ja, und damit lädt er uns das Auto voll und zwar richtig. Vieles ist auch für Mathias dabei. Mit einem festen Händedruck meint er, das sei nun genau in den richtigen Händen und das sei das Wichtigste.
Ich kann zu diesem Zeitpunkt kaum mehr etwas sagen, denn ich bin im Holzrausch. Innerlich hochgeschossen, wie ein Kind kurz nach der Bescherung.
Angefüllt mit Glück, das nach Holz riecht.
Dann gab es noch den Journalisten, der mir eine Giftschranktür und ein wunderschönes türkisfarbenes Mistbredl vermachte. Dazu gab es noch einen sagenhaften Schmandkuchen mit Plausch auf der Terrasse. Die tüchtige Tochter, die den elterlichen Hof ausräumt und von woher ich eine bezaubernde, alte Lastentrage bekomme, die am Auseinanderfallen ist. Der Pferdestall, der eine neue Verkleidung braucht und daraus eine alte Tür, die die Besitzerin mir erst schenkt und die sie schließlich als fertiges Bild zurück auf ihren Hof kauft.
Und dann war da noch der bärenstarke riesengroße Bauer, der seinen mehrstöckigen gewaltigen Elternhof ausräumt, um ihn für seine Familie auszubauen. Hier steige ich nach sehr, sehr vielen breiten Treppen auf einen wirklich finsteren Boden … Alles hat hier irgendwie riesige Ausmaße und ich komme mir vor wie die kleine Alice im Wunderland. Bloß ist hier alles viel dunkler und staubiger.
Ein „Must Have“ ist hier eine gute Stirnlampe (Hirnbirn) und eine gesunde Vorsicht, denn im Boden sind meistens und immer Löcher und gefährlich brüchige Stellen.
Diese Zeit, in der man vom Eigentümer mit der Anmerkung alleingelassen wird: „Meid`s Di, wenn`s wo`s host!“ ist dann das eigentlich Magische. Denn noch ist alles möglich.
Suchen, inspizieren, vorsichtig treten, atmen, niesen …nur ich und mein Tritt, mein Atem, mein Herzschlag, der sich freut und voller Erwartung ist. Ich verschwinde in der Zeit, tauche in den dunklen Raum, folge dem flirrenden Strahl der Hirnbirn.
Und hier finde ich diesmal tatsächlich einen Schatz. Eine zusammengebrochene Truhe. Der Eigentümer alias der Gigant a la Goya oder der Jacki Chan des Dachbodens, ruft „Dirndl, geh auf`d Seiten“ und schon fliegt ein Fuß durch den Staub und die Truhe kracht auseinander.
Und auch hier verlasse ich taumelnd vor Glück den Hof mit einem Truhendeckel aus dem wie herausstellt 18. Jhd.. Ich bin hochgepumt mit Adrenalin.
Ich habe es schon immer gewusst: Die körpereigenen Drogen sind einfach die besten. Nicht das ich Vergleiche hätte…
Wir beide Bekommen neben Angeboten auf Vernissagen, auch Anrufe oder Anfragen aus unserem Netzwerk. Und immer wieder kommt auch der Holzbildhauer zum Zug.
Da wurden massenweise Eschen gefällt auf einem gräflichen Grund viele, viele Kilometer entfernt. Hätte man einen Bulldogg oder wäre im Schwerlastgewerbe tätig, hätte man jetzt ausgesorgt für die nächsten Jahre.
Da wurde von einem Arbeitskollegen eine Zwetschge gefällt.
Eine befreundete Künstlerin fragt an, sie habe ihre 4 m hohe Kirsche wegen der Nachbarn tränenden Auges fällen müssen. Diese habe sie selbst aus einem Kirschkern gezogen.
Geschichten über Geschichten von Bäumen und ihren Besitzern und Beschützern.
Und deswegen braucht so ein Bildhauer eben mehr an Logistik, als einen Kombi.
Bemessungsgrundlage ist hier der Anhänger von Mathias Pa, der etwa 2,5 m lang ist und mit dem schon Brennholz sowie ganze Ausstellungen und Umzüge transportiert wurden.
Und so gesellt sich bei jeden Fundstück, auch die Erinnerung an einen Menschen hinzu, der dieses besessen, bewahrt und weitergeben hat. Es entsteht ein Panoptikum der Erinnerung.
Und an uns geht der verantwortungsvolle Auftrag mit unserer Kunst zu bewahren und zu verwandeln, damit diese Stücke erhalten bleiben. Auf der Basis ihrer Vergangenheit fügen wir neue Geschichten hinzu. Ein zweites Leben (Second Life) oder bei Möbelteilen auch ein drittes, beginnt …
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